via naturae und via artis – Die verschlungenen Wege des musikalischen Notationssystems
Spezial-Vorlesung mit Konzert
Angelika Moths, Musikwissenschaftliches Institut, UZH
Was in der Musik als «natürlich» und «unnatürlich» empfunden wird, ist keineswegs eindeutig. Im 13. und 14. Jahrhundert wurden darüber unter den Musiktheoretikern heftige Diskussionen geführt. Insbesondere Metrik und Rhythmus führten zu vielen Verwerfungen. So gab es eine «lange» und eine «kurze» Note, die gemeinsam eine Dreiheit bildeten und in Bezug auf die göttliche Zahl 3 perfectio genannt wurde. imperfectio wurde hingegen mit Gegebenheiten des menschlichen Körpers in Verbindung gebracht: die symmetrische Anordnung der Gliedmassen, der Herzschlag, das Ein- und Ausatmen. Versuche, diese beiden Ebenen miteinander zu vermischen, führten zu einer Musik, die rhythmisch so kompliziert ist, dass man sie bei ihrer Wiederentdeckung im 20. Jahrhundert für nahezu unspielbar hielt. Viele Zeitgenossen empfanden sie als «gegen die Natur». Nach ihrer gründlichen Erforschung gehört sie heute aber zum festen Repertoire der Alten Musik. Ob Sie sie als «künstlich» oder «natürlich» wahrnehmen, können Sie an diesem Vortrag selber entscheiden. Nach einem fingierten Streitgespräch zwischen theoretica und practica tragen Angelika Moths, Corina Marti und Studierende des Musikwissenschaftlichen Instituts Kompositionen aus der Zeit vor.